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Dienstag, 17. Januar 2023

"Atomkraft? - Nein Danke!" in Italien
Mehrheit weiterhin gegen Wiedereinstieg

AKW-Laufzeitverlängerung stoppen - Foto: Klaus Schramm - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Über viele Jahre hin wurde in den deutschen Mainstream-Medien das Narrativ verbreitet, Deutschland befinde sich mit dem sogenannten Atomausstieg auf einem "Sonderweg". Offenbar beruhte dies auf der Einschätzung, der "deutsche Michel" sei jeglicher Exzentrik abhold und sein Verhalten sei dem eines vom Herdentrieb gesteuerten Schafes ähnlich. Ausgeblendet blieb hierbei auch, daß es in anderen europäischen Staaten sehr wohl einen – realen – Atomausstieg gab: In Österreich im Jahr 1978 und in Italien im Jahr 1987. Hinzu kommt, daß in etlichen Staaten wie etwa Dänemark Dank einer starken Anti-AKW-Bewegung der Weg in die Atomenergie vermieden werden konnte und mittlerweile 14 von 27 EU-Staaten und damit die Mehrheit frei von Atomkraftwerken sind. In Italien wurde von Regierungsseite schon mehrmals der Versuch unternommen, einen Wiedereinstieg in die Atomenergie durchzusetzen – vergeblich.

Erst kürzlich, im November 2022, hatte Matteo Salvini, Partei-Chef der Lega (zuvor bis 2018: Lega Nord), verkündet, Italien wolle zur Atomenergie zurückkehren. Salvini behauptete, die Atomreaktoren der neuen Generation seien sicher und preisgünstig und würden lediglich sieben Jahre Bauzeit benötigen. Danach sprachen sich jedoch bei einer Umfrage mit rund 7000 TeilnehmerInnen 62 Prozent gegen den propagierten Wiedereinstieg aus. Nur 38 Prozent antworteten auf die entsprechend vorformulierte Frage, die Zeiten hätten sich geändert und Italien müsse auf den Pfad der Atomenergie umkehren.

Schon kurze Zeit nach dem mühsam durchgesetzten Referendum im Jahr 1987 hatte es in den italienischen und deutschen Mainstream-Medien nahezu unisono geheißen: "...trotzdem gilt es als wenig wahrscheinlich, daß sich Italien (...) völlig aus der Kernenergie zurückzieht." – so beispielsweise die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung' vom 18. November 1987 unter der hoffnungsvollen Überschrift: "Italien sucht Übergangslösung".

Fast drei Jahre lang stand es auf der Kippe, ob die italienischen Atomkraft-GegnerInnen den Atom-Ausstieg durchsetzten könnten. Erst 1990 beschloß die italienische Regierung, die letzten Atomkraftwerke abzureißen. Die letzten beiden waren das AKW Trino Vercellese und das AKW Caorso.

Einige Jahre später wurde der italienische Atom-Ausstieg von den europäischen "Eliten" mit dem Argument heruntergespielt, daß es ja lediglich um drei Atomkraftwerke gegangen sei. Von den vier im Bau befindlichen – insbesondere vom AKW Montalto di Castro – war nicht mehr die Rede. Doch meist blieb in den europäischen Medien der italienische Atom-Ausstieg überhaupt ausgeblendet.

Daß auch der Atomausstieg von 1987 keine endgültige Entscheidung bedeutete und die italienische Bevölkerung weiterhin wachsam bleiben mußte, bewies die Regierung Berlusconi im Jahr 2003. In der abgelegenen Region Basilicata – am Südzipfel Italiens – sollte ein Endlager für radioaktiven Müll eingerichtet werden. Doch die Bevölkerung konnte mit Demonstrationen und der Blockade von Autobahnen die gesamte Region lahmlegen und so Ministerpräsident Berlusconi zur Aufgabe der Pläne zwingen.

Doch kaum sechs Jahre darauf, im Frühjahr 2009, verkündete Silvio Berlusconi – nach einer zweijährigen Pause erneut italienischer Ministerpräsident – eine "Renaissance der Atomenergie". Allerdings findet sich in keiner Region Italiens – gleichgültig von welcher Partei sie regiert wird – eine Zustimmung für einen AKW-Standort.

Um dennoch einen Wiedereinstieg in die Atomenergie durchzusetzen, hatte sich Berlusconi eine schlaue Taktik überlegt. Er lancierte ein nationales Referendum über den Wiedereinstieg in die Atomenergie und wollte dieses zu einem vorgezogenen Termin zunächst nur auf Sardinien stattfinden lassen. Er hoffte offenbar, die überwiegend verarmte Bevölkerung Sardiniens mit dem vollen Einsatz seiner Medienmacht auf seine Seite ziehen zu können, um dann Wochen später nach einer vorgeblichen Trendwende auch auf dem italienischen Festland die Mehrheit zu erringen. Doch am 11. März 2011 durchkreuzte die Atom-Katastrophe von Fukushima Berlusconis Pläne. Bei der Abstimmung Mitte Mai 2011 auf Sardinien stimmten bei einer Beteiligung von 59 Prozent über 97 Prozent gegen den Wiedereinstieg in die Atomenergie.

Gegen den Willen Berlusconis, der eine Niederlage abwenden wollte, fand das Referendum dann im Juni doch in den übrigen Landesteilen Italiens statt. Bei 57 Prozent Wahlbeteiligung stimmten 94 Prozent gegen den geplanten Wiedereinstieg.