Die Anti-Atom-Gruppe Freiburg hatte zusammen mit dem BUND, ECOtrinova und der Freiburger IPPNW-Gruppe zu einer Lesung in die Schreinerei Wittich eingeladen. Das Buch 'Die Gewerkschaftlerin. Im Räderwerk der Atommafia.', im französischen Original: 'La syndicaliste', kam in diesem Jahr in die Buchläden. Nach einer kurzen Einführung begann Eva Stegen mit einem Original-Protokoll der Polizei...
Das Protokoll zeigt, wie wenig Einfühlungsvermögen die Polizei einer Vergewaltigten gegenüber an den Tag legte. Nach wochenlangen ergebnislosen Ermittlungen äußerten die Polizisten den Verdacht, daß die Gewerkschafterin, Maureen Kearney, die Vergewaltigung selbst inszeniert habe. Weitere stundenlange Verhöre folgten und unter immensem Drucks gab sie ein selbst-bezichtigendes Geständnis ab. Ein Ermittler hatte ihr fälschlich und infamer Weise entgegengehalten, selbst ihr eigener Mann würde ihr nicht mehr glauben.
Maureen Kearney wurde 2017 wegen Vortäuschung einer Straftat zu einer fünfmonatigen Haftstrafe und einer Geldstrafe in der Höhe von 5.000 Euro verurteilt. Mit Unterstützung ihrer Gewerkschaft CFDT ging Kearney in Berufung und wurde 2018 von allen gegen sie erhobenen Anschuldigungen freigesprochen. Auch die Mängel bei den Ermittlungen durch die Polizei wurden vom Gericht gerügt. Sie ist rehabilitiert. Allerdings hatte sie sechs Jahre lang mit dem Vorwurf leben müssen, sie habe alles nur erfunden.
Merkwürdig ist tatsächlich, daß sich im Keller des Hauses, in dem die Vergewaltigung stattfand, keinerlei Spuren eines Angreifers finden ließen. Ungewöhnlich ist auch, daß sowohl das Klebeband, mit dem Maureen Kearnes gefesselt wurde, als auch das Messer, das in ihrer Vagina steckte, aus ihrem eigenen Haushalt stammte. Doch eben genau diese ungewöhnlichen Details decken sich mit einem Fall, der ebenfalls mit dem mächtigen Konzern-Chef Henri Proglio in Verbindung steht.
Das Opfer war in diesem Fall die Frau des Managers Emmanuel Petit, der versucht hatte, Schmiergeldzahlungen aufzudecken, sich deswegen an die Justiz wandte und einen langen Brief an die Pariser Staatsanwaltschaft schrieb. Offenbar wurde dessen Frau als Opfer ausgewählt, um den Manager zum Schweigen zu bringen. Marie-Lorraine Boquet-Petit, eine Innenarchitektin, war zunächst - ebenso wie Maureen Kearney - Telefon-Terror ausgesetzt. Danach wurde sie zu hause überfallen. Die Aussage von Marie-Lorraine Boquet-Petit:
"Es war heiß, die Fenstertüren zum Garten waren offen. Sie waren zu dritt, mit Kapuzen, schwarzen Anzügen und Handschuhen. Sie packten mich, zerrten mich in die Küche, schnallten mir die Hände zusammen, zückten ein Cuttermesser und schnitten mir ein Kreuz auf den Bauch und einen Sarg über die Brust, die mir wegen einer Krebserkrankung entfernt wurde. Dann vergewaltigten sie mich und gingen weg. Es dauerte eine Weile, bis ich imstande war, meinen Mann anzurufen. Er brachte mich ins Krankenhaus und wir erstatteten Anzeige. Der Gendarm kam und sagte, daß es sich um Profis handeln müsse. Sie haben keine Fingerabdrücke im Haus gefunden. Später sagte der Hauptmann, der die Ermittlungen leitete, zu meinem Mann, daß sie keine Spuren gefunden hätten und daß er meine Erzählung nicht sehr kohärent fände. Ich war sehr wütend auf meinen Mann, weil er mich meiner Ansicht nach nicht genug verteidigt hatte. Es schien, als hätte auch er Zweifel bekommen. Dann wurde uns mitgeteilt, daß die Ermittlungen eingestellt worden waren. Mein Mann zog schließlich seine Anzeige zurück und die Drohungen hörten auf. Und dann sind wir weggezogen."
Am Morgen des 17. Dezember 2012 wurde Maureen Kearney in ihrem Haus überfallen, kurz nachdem ihr Mann sich auf den Weg zur Arbeit begeben hatte. Der Angreifer überfiel sie von hinten, als sie sich gerade im Bad die Zähne putzte. Er zog ihr irgend etwas Schwarzes über den Kopf, so daß sie nichts mehr sah. Im Rücken spürte sie etwas wie einen Revolver. Nachdem er ihr den Mund mit einem Pflaster verklebt hatte, fesselte er sie mit Klebebändern an einen Stuhl. Dann zog er ihr die Strumpfhose herunter und macht sich mit einem Cuttermesser an ihrem Bauch zu schaffen. Zunächst glaubte sie, er wolle ihre Eingeweide herausschneiden, aber er verletzte die Haut nur oberflächlich. Dann spreizte er ihre Beine und versuchte, etwas in ihre Vagina einzuführen. Darauf ging er in die Küche und kam mit einem Messer zurück, das er ihr mit dem Griff nach vorn in ihre Vagina steckte. Darauf verschwand er, nachdem er zwischendurch mitgeteilt hatte, daß es "keine dritte Warnung" mehr geben werde. Als sie später von ihrer rumänischen Putzfrau aufgefunden und von den Fesseln befreit wurde, war sie schwer traumatisiert und wollte aus Angst vor einer Rückkehr des Täters keine Anzeige machen. Es war die Putzfrau, welche die Polizei rief. Die Verletzung am Bauch stellte sich als ein großes "A" heraus, das mit dem Messer in die Haut eingeritzt worden war – A wie "Areva" oder auch "Avertissement" (Warnung).
Offenbar war der Täter ein geschäftsmäßig-kühl vorgehender Profi, der nicht nur keine Spuren hinterließ, sondern sogar falsche Spuren legte, indem er - abgesehen vom Cutter - die benötigten Utensilien am Tatort zu finden wußte: Das Messer, das er ihr in die Vagina schob, holte er aus der Küche, und das Klebeband, mit dem er sie fesselte und knebelte, gehörte dem Ehemann.
Die 1956 in Irland geborene Maureen Kearney lebt seit Mitte der 1980er-Jahre in Frankreich und ab 1987 arbeitete sie zunächst für ein Sub-Unternehmen des französischen Atom-Konzerns Areva. Nachdem sie zusehen mußte, wie junge Ingenieure ohne Abfindung entlassen wurden, trat sie der französischen Gewerkschaft CFDT bei. Durch ihren couragierten Einsatz gewann Kearney das Vertrauen ihrer KollegInnen und wurde zu einer der bekanntesten RepräsentantInnen der CFDT bei Areva. Als Gewerkschafterin und Vorsitzende des europäischen Konzern-Betriebsrats vertrat sie über 50.000 Beschäftigte.
Im Jahr 2009 erfuhr Maureen Kearney erstmals von geheimen Verträgen der französischen Atom-Brache mit China. Durch einen Whistleblower erhielt sie 2012 Vertrags-Daten über den französisch-chinesischen Geheim-Deal. Anfangs dementierte das Management die Existenz des Vertrags. Mit Hilfe der Parteien-Politik wurde eine unabhängige Untersuchung verschleppt. Im September 2012 veröffentlichte das französische Nachrichtenmagazin 'Le Nouvel Obs' Auszüge aus einem Entwurf eines zweiseitigen Abkommens zwischen EDF und seinem chinesischen Partner CGNPC.
Maureen Kearney befürchtete, daß der der im Interesse von EdF-Chef Henri Proglio eingefädelte Deal mit China zum Verlust von französischen Atomkraft-Knowhow, zur Zerschlagung von Areva und in der Folge zum Verlust tausender Arbeitsplätze führen würde. Die Gewerkschafterin setzte alles daran, den Geheim-Deal zu verhindern - hatte schließlich sogar einen Termin beim damaligen französischen Präsidenten François Hollande vereinbaren können, um diesen für ihre Sache zu gewinnen... Doch zuvor wurde sie in ihrem Haus überfallen.
Das Buch 'La Syndicaliste' von Caroline Michel-Aguirre erschien im Jahr 2019 - die Verfilmung mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle kam 2022 in die Kinos. Eva Stegen übersetzte das Buch ins Deutsche:
'Die Gewerkschaftlerin. Im Räderwerk der Atommafia.'
Edition Einwurf, 2025.
Hier nochmal unser Veranstaltungsplakat: