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Samstag, 8. März 2025

Atommüll-Konferenz in Göttingen
Ein Berg ungelöster Probleme
Forderung nach Beitritt Deutschlands zum Atomwaffen-Verbotsvertrag

Atommüll-Konferenz, 8.03.25 - Foto: AG Schacht Konrad - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Am 8. März fand in Göttingen die 26. bundesweite Atommüll-Konferenz statt. Im Mittelpunkt der Beratungen standen: Der unverändert höchst problematische Zustand der 16 deutschen "Zwischen"-Lager für hochradioaktiven Atommüll, der anstehende CASTOR-Transport von Sellafield nach Bayern sowie die Kritik am unwissenschaftlichen 10-Mikro-Sievert-Konzept, mit dem die Verteilung radioaktiv kontaminierten Beton-Schutts aus dem Abriß von Atomkraftwerken auf Hausmüll-Deponien gerechtfertigt wird.

In den 16 deutschen "Zwischen"-Lagern befinden sich derzeit (Stand: Mai 2024) 1.223 CASTOR-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll. Hinzu kommen noch die abgebrannte Brennelemente, die in den Abklingbecken der stillgelegten Atomkraftwerke darauf warten, in CASTOR-Behälter verpackt zu werden. Zusammen ergibt dies rund 1.900 CASTOR-Behälter mit insgesamt 30.000 Kubikmeter hochradioaktivem Atommüll.

Zusammen mit dem mittel- und schwachradioaktiven Müll, der bei der Produktion von Strom in deutschen Atomkraftwerken verursacht wurde, hinzu, ergibt sich um ein Volumen von rund 300.000 Kubikmeter - also dem Zehnfache. Insgesamt muß mit 600.000 Kubikmeter Atom-Müll in Deutschland gerechnet werden (Siehe den Hintergrundartikel v. 11.04.21).

Die Genehmigungen der 16 deutschen "Zwischen"-Lager laufen in den Jahren 2034 bis 2047 aus. Die meisten der "Zwischen"-Lager an den AKW-Standorten wurden aufgrund der "rot-grünen" Atompolitik der Ära Schröder (1998 - 2005) genehmigt und waren 2006/2007 in Betrieb gegangen. Das Jahr 2047 ergibt sich also als Resultat einer 40-jährigen Betriebsgenehmigung aus dem Jahr 2007.

Laut dem offiziellem Eingeständnis, das Ende 2022 bekannt wurde, ist allerdings nicht damit zu rechnen, daß die im Januar 2014 neu gestartete "Endlager"-Suche vor dem Jahr 2068 zu einem Ergebnis führen kann. Ist das Suchverfahren erst 2068 abgeschlossen, ist frühestens im Jahr 2087 mit dem Beginn der Einlagerung des hochradioaktiven Atommülls zu rechnen. Zwischen 2034 und 2087 klafft eine Lücke von 53 Jahren.

Nach heutigem Wissensstand ist also nicht damit zu rechnen, daß ein sogenanntes Endlager in Deutschland vor dem Jahr 2087 in Betrieb gehen wird. Die sogenannten Verantwortlich interessiert jedoch offensichtlich nicht, wie das Risiko einer nuklearen Katastrophe in diesen "Zwischen"-Lagern in den kommenden sechs Jahrzehnten beherrscht werden könnte. Die CASTOR-Behälter werden infolge der vom Atommüll ausgehenden Neutronenstrahlung im Laufe weniger Jahrzehnte zerbröseln.

In Bayern lagert rund 3.000 Tonnen hochradioaktiver Atommüll - also rund ein Drittel des deutschen Gesamt-Inventars. Davon befinden sich derzeit 2.426 Tonnen hochradioaktiver Atommüll oberirdisch in bayerischen "Zwischen"-Lagern - und weitere 627 Tonnen (Stand: 31.12.2023 - laut Angeben der GRS) dümpeln noch in den AKW-internen Naßlagern der im Abriß befindlichen Atomkraftwerke Gundremmingen und Isar vor sich hin.

Nach Bayern soll in den kommenden Wochen weiterer hochradioaktiver Atommüll transportiert werden. Es handelt sich um Atommüll aus der englischen Plutoniumfabrik (sogenannten Wiederaufarbeitungsanlage) Sellafield in sieben CASTOR-Behältern, der im "Zwischen"-Lager beim im Abriß befindlichen AKW Isar in Niederaichbach bei Landshut abgeladen werden soll. Von Seiten des Bund Naturschutz hieß es da am 7. März: "Wir haben den Müll erzeugt, wir müssen ihn zurücknehmen. Es gibt keinen Grund, dagegen zu protestieren." Klaus Schramm von der Anti-Atom-Gruppe Freiburg bewertete die Denkweise dieses Statement als "stupiden Ausdruck von Nationalismus".

Wie ein Mantra wird seit vielen Jahren in den Mainstream-Medien wiederholt, daß die "Rücknahme" des Atommülls aufgrund "völkerrechtlich verbindlicher" Verträge unumgänglich sei und es sich schließlich um "deutschen" Atommüll handele. Tatsächlich jedoch kann auch ein solcher Vertrag einseitig gekündigt werden. Japan hatte seine Verträge mit der britischen Plutoniumfabrik ("Wiederaufarbeitungsanlage") Sellafield im Jahr 2001 nach einem Betrugs-Skandal gekündigt. Auslöser waren massive Fälschungen von Meßprotokollen der Atomfabrik Sellafield, die nur durch einen Zufall entdeckt wurden. Statt vorgeschriebene Tests durchzuführen, wurden über lange Zeit Meßprotokolle früherer Messungen kopiert und Computer mit erfundenen Zahlen gefüttert. Als die Londoner Zeitung 'Independant' im September 1999 dem Skandal auf die Spur kam, stritt der britische Atomkonzern BNFL - damals Betreiber von Sellafield - zuerst noch ab, daß die fraglichen Lieferungen nach Japan von der "Panne" in der Atomfabrik betroffen seien. Erst als staatliche Inspektoren der Sache auf den Grund gingen, mußte BNFL klein bei geben. Kurze Zeit später bestätigte der staatliche Chef-Inspektor, daß seit 1996 "systematisch gefälscht" worden war.

Ein weiterer Schwerpunkt der Atommüll-Konferenz war die Kritik am 10-Mikro-Sievert-Konzept, mit dem die Verteilung radioaktiv kontaminierten Beton-Schutts aus dem Abriß von Atomkraftwerken auf Hausmüll-Deponien gerechtfertigt wird. Erst kürzlich hatte auch der Umweltverband Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) in einem Statement darauf hingewiesen, , daß es sich beim 10-Mikro-Sievert-Konzept um ein "pseudo-wissenschaftliches Phantasie-Produkt" handelt (Siehe unseren Bericht v. 28.08.24). Dieses Konzept aus dem Jahr 2004 basiert auf vielen intransparente Annahmen und willkürlich festgelegten Voraussetzungen.

Computer-Programme wurden mit den Annahmen und Faktoren aus dem 10-Mikro-Sievert-Konzept geschrieben, lieferten aber völlig verschiedene Ergebnisse für die Strahlenbelastung aus den Abriß-Materialien, der die Bevölkerung ausgesetzt würde. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit hatte im Jahr 2020 ebenfalls Unterschiede in den Berechnungsmodellen gefunden, die nicht erklärbar oder herleitbar sind. Außerdem hatten Gutachten der Firma Brenk und des TÜV Nord über das Abriß-Material aus dem AKW Stade, das auf der Deponie Käseburg (Unterweser) landen sollte, völlig unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der Strahlenbelastung geliefert. Ein verläßlicher Strahlenschutz ist daher mit dem 10-Mikro-Sievert-Konzept nicht gewährleistet. Deshalb fordert die Anti-AKW-Bewegung spezielle Deponien für den schwach-radioaktiven Abriß-Müll aus Atomkraftwerken. Es müsse ausgeschlossen werden, daß Abriß-Müll beispielsweise des AKW Biblis auf der Hausmülldeponie Büttelborn abgekippt oder daß Abriß-Materialien per Recycling in Alltagsgegenständen verteilt werden.

So wurde nun auch radioaktiv kontaminierter Beton-Mülls vom Abriß des AKW Philippsburg zur Müll-Deponie Hamberg bei Maulbronn im Enzkreis transportiert (Siehe unseren Bericht v. 28.02.25)

Weitere Themen waren die Kritik an der Standortsuche für ein tiefengeologisches Lager für hochradioaktive Abfälle -Stichwort: Schein-Partizipation - und die aktuellen Entwicklungen bei dem veralteten Projekt Schacht Konrad, dem bei Berücksichtigung des gegenwärtigen Standes von Wissenschaft und Technik keine Genehmigung mehr erteilt würde. Darüber hinaus wurde über Maßnahmen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Aktualisierung des "Nationalen Entsorgungsprogramms" beraten, die eigentlich schon hätte begonnen sein sollen. Die Atommüll-Konferenz forderte, daß die vorhandenen Probleme und ungelösten Fragen im Umgang mit den radioaktiven Abfällen im neuen Entsorgungsprogramm nicht mehr wie bisher ausgeblendet werden und eine Abwägung verschiedener Konzepte und Alternativen beim Umgang mit den radioaktiven Abfällen durchgeführt wird.

Zum Abschluß der 26. Atommüll-Konferenz wurde von den Delegierten aus Anti-Atom-Initiativen in ganz Deutschland folgende Resolution beschlossen:

Atommüll-Konferenz fordert Atomwaffen-Verbot

Ein internationales Atomwaffenverbot und der Ausstieg aus der zivilen Nutzung der Atomenergie gehören zusammen.

2025 jähren sich die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zum 80. Mal. Gleichzeitig liegt die Atomkatastrophe von Fukushima 14 Jahre zurück. Die Atommüllkonferenz fordert deshalb:

  • Deutschland muss den Atomwaffenverbotsvertrag endlich unterzeichnen.
  • Die Brennelementfabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau müssen geschlossen und so der Atomausstieg endlich vollzogen werden.
  • Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie eine nachhaltige Umwelt- und Industriepolitik muss im Zentrum der deutschen Regierungsarbeit stehen.
  • Keine Verklappung des kontaminierten Fukushima-Kühlwassers in den Pazifik.

Atommüll-Konferenz, 8.03.25 - Foto: AG Schacht Konrad - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0