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Samstag, 21. Oktober 2023

Film-Veranstaltung
Doku-Film von Frieder Wagner über Uran-Munition
Deadly Dust

Uran-Munition - Foto: Staff Sgt. Nicholas Perez/U.S. Air National Guard - Lizenz: gemeinfrei
Am 7. September ging die Nachricht um die Welt, daß die US-Regierung dem ukrainischen Militär nun Uran-Munition ("DU-Munition") liefern will. Der Einsatz dieser Munition hat schon beim 2. Golf-Krieg (1991), beim Kosovo-Krieg (1999) und beim Irak-Krieg (2003) zu einer Umwelt-Katastrophe und in der Folge zu einem deutlichen Anstieg der Rate bestimmter Krebs-Arten in der Bevölkerung geführt.

Diese Munition enthält abgereichertes Uran aus der Brennelemente-Herstellung für Atomkraftwerke - und dieses abgereicherte Uran (depleted uranium = DU) verleiht den Geschossen eine Durchschlagskraft, selbst Panzerplatten bis zu einer Stärke von 70 Zentimenter zu durchdringen. Sie ist daher bei Militärs sehr beliebt.

Im November 2016 forderten 146 Staaten der UN-Vollversammlung - von insgesamt 193 Mitglieds-Staaten - in einer Resolution, die Herstellung, Verbreitung und Anwendung von Uran-Munition und Uran-Waffen zu verbieten. Bis heute konnte dies nicht durchgesetzt werden. In Deutschland ist die Bevölkerung kaum über die katastrophalen Folgen des Einsatzes von Uran-Munition informiert. Deshalb zeigte die Anti-Atom-Gruppe Feiburg den Dokumentar-Film 'Deadly Dust'.

Der Film des mit vielen Preisen ausgezeichneten Dokumentar-Filmers Frieder Wagner beginnt mit der Spurensuche im Irak. Bereits im 2. Golf-Krieg, 1991, hatte das US-Militär in diesem Land Uran-Munition eingesetzt. In Nachrichten in den Mainstream-Medien wird diese auch als DU-Munition bezeichnet. Die Abkürzung DU steht für "depleted uranium", zu Deutsch: "abgereichertes Uran". Erneut im Irak-Krieg 2003 setzte das US-Militär diese radioaktive und chemisch giftige Munition ein. Der Arzt, Prof. Dr. Siegwart-Horst Günther ist zusammen mit Tedd Weyman, Vizedirektor des in Kanada ansässigen 'Uranium Medical Research Centre' (UMRC), im Irak unterwegs. Sie werden von Frieder Wagner filmisch begleitet. Prof. Günther hatte von 1990 bis 1995 an der Universitätsklinik Bagdad gelehrt und gearbeitet.

Schon in den 1990er-Jahren hatte Prof. Günther als Arzt im Irak Krankheitsbilder festgestellt, die er dort zuvor noch nie beobachtet hatte - unter anderem fielen ihm eine Häufung von Leukämie sowie Mißbildungen bei Neugeborenen auf. Als er außerhalb von Basra, einer Zwei-Millionen-Stadt im Süden des Irak, Kinder mit Geschossen spielen sah, die als Puppen angemalt waren, und eines dieser Kinder wenig später an Leukämie erkrankte und starb, schöpfte er Verdacht. Er begann, die Kinder zu befragen, und fand heraus, daß die an Leukämie erkrankten Kinder mit Munition oder in Panzerwracks gespielt hatten und außerdem fast alle Väter von Kindern mit Mißbildungen, die jenen nach der Tschernobyl-Katastrophe glichen, als Soldaten an den Panzerschlachten südlich von Basra teilgenommen hatten. Ende 1991 begann Günther, erste Artikel über seine Untersuchungen zu schreiben.

Tedd Weyman wollte im Irak Wasser- und Bodenproben sowie Urin-Proben mutmaßlich belasteter Menschen nehmen, um sie in Toronto untersuchen zu können. An einem Panzerwrack, wie sie zahlreich auf den früheren Schlachtfeldern im Irak herumliegen, fanden Prof. Günther und Tedd Weyman unverkennbare Spuren des Beschusses durch Uran-Munition. Wie ein Messer durch Butter durchdringt diese Munition Panzerstahl. An einem Einschußloch stieg die Anzeige des Geigerzählers bis über den roten Bereich hinaus: Über 3 Millirem pro Stunde.

Uran-Munition wird vom Militär wegen der hohen Durchschlagskraft geschätzt. Anders als im Falle der Atombombe wird Uran bei dieser Munition nicht zum Zwecke einer Explosion verwendet, sondern - ähnlich wie im Falle von Blei-Munition - wegen seiner hohen Dichte. Ein Kubikdezimeter Wasser wiegt ein Kilogramm, ein Kubikdezimeter Blei rund 11 Kilogramm und ein Kubikdezimeter Uran rund 19 Kilogramm. Mit Uran-Munition kann die stählerne Außenhülle jedes beliebigen Panzers durchschlagen werden. Rüstungsfirmen produzieren heute unter anderem tragbare Panzerfäuste, mit denen sogar aus einem halben Kilometer Entfernung 70 Zentimeter dicker Panzerstahl durchschlagen werden kann. Eine solche Panzerfaust hat schußbereit - also mit der entsprechenden Rakete bestückt - lediglich ein Gewicht von 13 Kilogramm.

Beim Einschlag in einen Panzer wird in dessen Inneren eine Temperatur von über tausend Grad Celsius erreicht. Ein zusätzlicher Effekt ist, daß sich beim Aufprall auf ein gepanzertes Ziel heißer Uranstaub bildet, der sich im Inneren des Panzers entzündet und die Besatzung tötet. Es wird Uranoxid freigesetzt und die Umwelt damit radioaktiv und chemisch vergiftet.

Trotz der zumindest den Regierungen und den Militärs schon seit Beginn der 1990er-Jahre bekannten katastrophalen Folgewirkungen von Uran-Munition, kam diese auch im Syrien-Krieg zum Einsatz. Nach eigenen Angaben des US-Militärs vom Februar 2017 beschossen US-Kampfjets am 16. und 22. November 2015 Öl-Lastwagen der IS-Terror-Miliz mit panzerbrechender Munition, deren Projektile abgereichertes Uran enthielten. Dabei seien etwa 350 Fahrzeuge zerstört worden. Um diese Öl-Lastwagen abzuschießen, hätte jedoch konventionelle Munition vollauf genügt.

Prof. Günther und Tedd Weyman besuchten den "Panzerfriedhof" Auweiry bei Bagdad. Zusammen mit dem Arzt Prof. Mohammad Al-Shekhli nahmen sie dort Proben des an den Panzerwracks anhaftenden Wüstenstaubes. In diesen Tagen beobachteten sie auch Kinder dabei, die sich dort aufhielten. Das Gelände ist wegen des Altmetalls beliebt. LKW wirbeln beim Ein- und Ausfahren den Staub auf. Überall auf dem Gelände ist eine erhöhte Radioaktivität meßbar.

Zusammen mit Tedd Weyman untersuchte Prof. Günther eine Stelle am sogenannten Tor Nummer Sechs bei Bagdad, wo heftige Panzergefechte stattfanden. Obwohl dort die Panzerwracks abtransportiert wurden, lag die radioaktive Strahlung noch um das Hundert- bis Hundertfünfzigfache über der Hintergrundstrahlung. Und wenige Meter davon entfernt findet sich ein mobiler Verkaufsstand, der Vorbeifahrende mit Getränken versorgt.

Am mineralogischen Institut der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main untersuchte Dr. Axel Gerdes die Proben aus dem Irak mit einem Massenspektrometer und stellte sehr hohe Konzentrationen von abgereichertem Uran fest. Im Staub macht das abgereicherte Uran einen Anteil von 50 bis 60 Prozent aus. "Das Problem, das einzuatmen besteht weiter - für zehn, für zwanzig, für dreißig, ja, für hundert Jahre," so Gerdes.

Auch im zerbombten Fernmelde- und Fernseh-Zentrum Bagdads fanden sich stark erhöhte Radioaktivitätswerte, die auf bunkerbrechende Uran-Waffen zurückzuführen sind. Eine einzige Bombe ist durch sechs Stockwerke aus Stahlbeton gegangen, darauf noch zwölf Meter tief in den Keller, bevor sie explodierte. Tedd Weyman sammelte Staubproben aus der Ruine und Urin-Proben von AnwohnerInnen. Beim Einsammeln der Proben in der Ruine verzichtete Weyman auf die eigentlich obligatorische Atemschutz-Maske, um nicht die Aufmerksamkeit des US-amerikanischen Militärs auf sich zu ziehen, denn schon allein das Fotografieren ist hier verboten. In den Urin-Proben fanden sich bei der Untersuchung extrem hohe Werte von abgereichertem Uran.

Frieden Wagner interviewte Kenny Duncan, einen Golf-Kriegs-Veteranen. Im Jahr 2004 wurde ihm als erstem britischem Kriegsveteranen eine Pension zugesprochen, weil er im Golf-Krieg 1991 durch abgereichertes Uran verseucht wurde. Ein wesentlicher Entscheidungsgrund war der Nachweis einer Chromosomen-Abweichung in seinen Körperzellen, die auf abgereichertes Uran zurückzuführen ist. Für Hunderte von Soldaten der Allianz hatte der Feldzug des Jahres 1991 bittere Folgen: Sie leiden bis heute an Muskelschwäche, neurologischen Krankheiten, Kopfschmerzen, Depressionen, Gedächtnisausfällen, Schlafstörungen und weiteren Gebrechen, die als "Golf-Kriegs-Syndrom" zusammengefaßt wurden.

Der Chemiker Prof. Dr. Albrecht Schott untersuchte die Gene von britischen Golf-Kriegs-Veteranen. Im Blut des Veteranen Kenny Duncan fand er auffallend viele genetische Veränderungen - und zwar von einer Art, die typisch für Radioaktivität ist und die nicht von anderen Ursachen herrühren kann. Prof. Schott erklärte: "Kenny Duncan war vor dem Golf-Krieg von 1991 ein kraftstrotzender, gesunder Mann, seine Chromosomen waren völlig in Ordnung. Dann kam die Strahlung, weil er im Golf-Krieg monatelang britische Panzer repariert hatte, die durch die eigenen Truppen durch 'friendly fire' getroffen worden waren. So kam es bei ihm - wie wir eindeutig festgestellt haben - zu Chromosomenbrüchen. Je höher die Rate an Chromosomenbrüchen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Krebs. Diese hohe Zahl von Chromosomenbrüchen kann man in der Familie von Kenny Duncan und seiner Frau Mandy sehen. Sie haben drei Kinder, und alle drei Kinder sind genetisch schwer geschädigt."

Im Februar 2004 unterlagen die Golf-Kriegs-Veteranen vor Gericht mit ihrer Klage gegen das britische Kriegsministerium. Die britische Regierung hat - ebenso wie die US-amerikanische - stets bestritten, durch eigenes Verschulden das "Golf-Kriegs-Syndrom" verursacht zu haben. Allerdings gewährte die britische Regierung 2000 Golf-Kriegs-Veteranen eine Rente für Gesundheitsschäden, ohne ein eigenes Verschulden anzuerkennen. Kenny Duncan konnte vor Gericht eine weitere finanzielle Entschädigung erkämpfen.

Jenny Moore, ebenfalls Golf-Kriegs-Veteranin, war im Irak in einem Munitionsdepot tätig. Nach dem Krieg wurde Jenny Moore mit Zwillingsbabies schwanger. In der 18. Schwangerschaftswoche stellten die Ärzte bei einer Untersuchung fest, daß eines davon schwer mißgebildet war. Sie fragten die Schwangere, welche Drogen sie genommen habe. Sie solle froh sein, daß eines überlebt, weil die beiden sich in getrennten Fruchtblasen befanden. In der 24. Woche starb der eine Embryo. Bei einer folgenden Schwangerschaft hatte Jenny Moore eine Fehlgeburt und mußte feststellen, daß das totgeborene Mädchen keine Augen hatte. Erst als sie sich danach über vergleichbare Fälle informierte, wurde ihr klar, daß ihre Babies am "Golf-Kriegs-Syndrom" gestorben waren.

Frieder Wagner begleitete Prof. Günther bei einem Treffen mit dessen altem Kollegen, Dr. Asaf Durakovic, anläßlich einer Tagung am Starnberger See. Der amerikanische Arzt war einst Oberst und Kommandant einer Sanitäter-Einheit im Golf-Krieg von 1991. Er war auch Professor für Radiologie und Nuklearmedizin an der Georgetown Universität von Washington. Heute lebt Durakovic nicht mehr in den USA, weil man ihm dort mit dem Tod gedroht hatte, falls er seine Forschungen über das "Golf-Kriegs-Syndrom" weiterführe. Auch an US-Präsident William Clinton hatte sich der Arzt vergeblich um Hilfe gewandt.

Im Auftrag des US-amerikanischen Pentagon hatte er 12 Jahre lang Soldaten untersucht, die am "Golf-Kriegs-Syndrom" erkrankt waren. Als Durakovic öffentlich erklärte, daß die Uran-Munition ursächlich für das "Golf-Kriegs-Syndrom" sei, wurde er gefeuert.

Durakovic: "Viele Soldaten litten an Nierenversagen, weil sie Uran eingeatmet hatten." Häufig war auch Lungen- und Knochenkrebs die Folge. Gelangt abgereichertes Uran in den Körper, verursacht diese radioaktiv strahlende Substanz einen langsamen Tod durch Krebs, irreversible Nierenschäden oder Immunschwäche.

Zunächst jedoch hatte Durakovic keine Ahnung, durch welche radioaktive Strahlungsquelle die Soldaten geschädigt worden waren. Ex-Major Dr. Doug Rokke, später Medizinphysiker und Professor für Umweltwissenschaften an der Universität in Jacksonville, Alabama, war 1991 Befehlshaber einer Transporteinheit im Irak. Diese hatte die Aufgabe, abgeschossene Panzer aus kuweitischem Gebiert wegzubringen. Danach waren Rokke und fast alle seiner Männer schwer am "Golf-Kriegs-Syndrom" erkrankt.

Durakovic nahm von allen Urin-Proben und sandte diese zum Militärlabor für Radiochemie in Aberdeen (Maryland). Die Probe hatte er mit der Regierungspost verschickt, aber sie kamen nie an. Durakovic ging daraufhin zu den Direktoren seines Krankenhauses, um diese zur Rede zu stellen. Sie sagten Durakovic, er solle diese Dinge nicht tun, weil sie nur ein kleines Krankenhaus seien und keine Forschungsarbeit machen könnten. Er solle seine tägliche Arbeit machen und keine Uran-Forschung. Und er bekam Anrufe von höchsten Militärs in Washington, die ihm rieten, seine Arbeit einzustellen.

Danach schickte er die Urin-Proben zur Analyse an ein Institut mit Massen-Spektrometer. Und die Ergebnisse waren positiv. Es fanden sich hohe Konzentrationen von abgereichertem Uran. Durakovic: "Jene, die versucht hatten, meine Arbeit zu verhindern, waren ziemlich konsterniert." Bis dahin hatte die US-Regierung geleugnet, im Krieg abgereichertes Uran eingesetzt zu haben. Er setzte seine Arbeit unbeirrt fort und gründete 1995 das unabhängige 'Medical Research Center'.

Durakovic: "Sie fragen mich, was jetzt mit der Zivilbevölkerung im Irak passiert? Glauben Sie, irgendjemand kümmert sich um sie, wenn sich schon niemand für das Schicksal der eigenen Soldaten interessiert! Man müßte Milliarden von US-Dollars investieren! Basra zu säubern, würde allein 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr kosten! Und nur die Brücken über den Euphrat zu dekontaminieren, würde Milliarden kosten. Was für die Erkrankungen der Veteranen der USA, Kanadas und Großbritanniens gilt, muß man um das 1000-fache erhöhen, was die irakische Bevölkerung betrifft. Und es wurde von diesen Regierungen alles unternommen, diese Informationen zu unterdrücken. Ein einziges Alpha-Teilchen kann in der Zellstruktur irreparable Schäden hervorrufen mit allen furchtbaren Folgen. Das ist Grundlage der Nuklearmedizin und -biologie, das braucht man nicht zu diskutieren. Denn jedes Kind weiß am Ende der höheren Schulausbildung Bescheid über die Auswirkungen der Alpha- und Betastrahlung. Und so sage ich zu allen, die diese Auswirkungen der Uran-Munition noch immer leugnen, sie sollen doch bitte noch einmal in die Schule gehen und die Grundlagenbücher der Physik und Nuklearstrahlung studieren."

Doch die US-amerikanische und die kanadische Regierung leugneten weiter. Die kanadische Regierung gab eine Studie in Auftrag, bei der 200 Golf-Kriegs-Veteranen untersucht wurden. In keinem einzigen Fall wurde abgereichertes Uran im Urin festgestellt.

Durakovic analysierte diese Studie und stellte fest: "Erstens: Die Auswahl der untersuchten 200 kam aus der gesündesten Gruppierung. Zweitens: Die Untersuchungs-Methoden waren so angelegt, nichts zu finden. Und Drittens - das ist das Wichtigste - sie untersuchten die falschen Organe und Gewebe. Zum Beispiel untersuchten sie die Haare auf Uran. Und ich fragte sie in der wissenschaftlichen Diskussion, warum sie Uran mit Quecksilber verwechselten. Denn Quecksilber geht in die Haare, Uran aber nicht. Uran hat absolut keinen biologischen Zugangsweg zu den Haaren! Sie verschwendeten fast eine Million kanadische Dollar für diese völlig nutzlose Studie, die der kanadische Bürger bezahlen mußte."

Prof. Günther erzählt in 'Deadly Dust' von seinem eigenen unabhängigen Erkenntnisweg. Er hatte 1992 ein im Irak gefundenes Uran-Geschoß im Diplomaten-Gepäck nach Berlin bringen lassen: "Ich wollte wissen, ob die Geschosse, wie ich es vermutete, radioaktiv sind. Und dann habe ich es an drei Universitäten untersuchen lassen - zunächst an der Humboldt-Universität. Die sagten, das ist hochtoxisch und radioaktiv, wir wollen damit nichts zu tun haben. Dann ging ich zur TU. Diese verhielt sich genauso. Sie sagten: »Wir wollen damit nichts zu tun haben. Gehen sie zur Freien Universität, zum radiologischen Institut.«" Und als Prof. Günther dann in der FU ankam, hieß es: "Heute ist Freitag, kommen Sie am Montag wieder." Am Montag warteten dann schon 16 Polizisten in der FU auf Prof. Günther, die ihn verhaften wollten. Kurz darauf kam ein Spezialkommando der Polizei mit Schutzkleidung und besonderen Behältern: "Das ist hochtoxisch und radioaktiv. Wir müssen das beschlagnahmen."

Das beschlagnahmte Geschoß ging in die Berliner Zentralstelle für radioaktive Abfälle. Frieder Wagner interviewte Dipl.-Ing. Herrmann Josef Jung, Gutachter des Hahn-Meitner-Instituts, der das Geschoß damals untersuchte. Jung: "Wir haben als Gutachter herausgefunden, daß es sich um abgereichertes Uran handelte. Uran ist ein Schwermetall. Die Aufnahme in den Körper, die Wirkung im Körper ist schädlich - auf jeden Fall."

Das Ergebnis war, daß das Amtsgericht Berlin Prof. Günther wegen der Freisetzung ionisierender Strahlung verurteilte. In dem Urteil heißt es: "Durch den falschen Umgang mit dem Geschoß-Projektil entsteht die Gefahr der Kontamination und Inkorporation radioaktiven Materials, was zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann." Prof. Günther sollte eine Strafe von 3000 D-Mark zahlen. "Das habe ich abgelehnt und darauf bin ich inhaftiert worden. Ich mußte fünf Wochen ins Gefängnis, aber damit hatte ich jetzt den Beweis, daß meine Vermutung, daß diese Geschosse radioaktiv sind, stimmte."

Die US-Regierung und alle anderen beteiligten Regierungen lehnen bis heute jegliche Verantwortung ab. Es gebe keine Beweise, daß die Uran-Munition das "Golf-Kriegs-Syndrom" auslöse, an dem mehr als 150.000 Golf-Kriegs-Veteranen erkrankt sind. Tatsache ist jedoch, daß die Kinder von Golf-Kriegs-Veteranen dreimal so häufig mißgebildet zur Welt kommen wie andere Kinder. Bei einer gemeinsamen Aktion kamen Golf-Kriegs-Veteranen ins britische Unterhaus, brachten ihre mißgebildeten Kinder mit und gaben ihre Kriegs-Auszeichnungen zurück.

Frieder Wagner kann in seinem Dokumentar-Film nachweisen, daß sowohl die US-Regierung als auch die britische Regierung schon vor 1991 über die Gefährlichkeit von Uran-Munition Bescheid wußte. Denn es existiert ein Handbuch aus der Zeit vor dem Golf-Krieg 1991, das aber nicht verteilt wurde. Und es existiert ein Trainings-Video - aufbauend auf dem Handbuch - das die Soldaten vor dem Einatmen von Uranstaub warnt. Im Dokumentar-Film 'Deadly Dust' werden die entsprechenden Sequenzen dieses Videos eingespielt.

Uran-Munition ist eine deutsche Technologie. Schon 1972, 1973 unternahm der deutsche Rüstungs-Konzern Rheinmetall erste Testschüsse mit Uran-Munition. Auch der deutsche Rüstungs-Konzern MBB war an der Entwicklung beteiligt.

1993 bis 1995. Bosnien-Krieg. Auch bei der Bombardierung von Hadzici im Jahr 1995 setzten das US-amerikanische und das britische Militär Uran-Bomben ein. Diesmal leugneten sie es zwar nicht - aber sie sagten, sie seien ungefährlich. Nach heutigen Informationen gingen auf Hadzici und die Gegend von Han Pijesak über 3 Tonnen Uran-Munition nieder.

Die Menschen aus Hadzici mit sehr aggressiven Krebserkrankungen kamen dann in die Krankenhäuser nach Sarajewo. Frieder Wagner interviewte den Arzt, Dr. Slavko Zdrale. Dieser sagt, daß die Leukämie-Rate in dieser Region nach dem Krieg deutlich angestiegen ist. Die Rate bestimmter Bluterkrankungen sei fünf- bis sechsmal höher als vor dem Krieg. Die serbische Regierung siedelte deshalb rund 3.500 BürgerInnen nach Bratunac um. Doch dies kam zu spät, die Menschen hatten den Uranstaub bereits eingeatmet. 1.112 von ihnen, fast ein Drittel, starben innerhalb von nur fünf Jahren an Krebserkrankungen.

Eine Bürgerin aus Hadzici berichtet: "Ein kleines Mädchen hat in einem Bombenkrater gespielt. Kurz darauf fielen ihre sämtliche Fingernägel ab. Sie wurde ins Militär-Krankenhaus nach Belgrad gebracht zu weiteren Untersuchungen. Auf einem Friedhof filmte Wagner die vielen Grabsteine mit Todesdatum 1996 und 1997. Prof. Günther kommentiert: "Man könnte auf die Grabsteine schreiben: Gestorben an abgereichertem Uran."

Der Arzt und Wissenschaftler Dr. Radomir Kovacevic sagt, daß die Rate der Krebsfälle in Serbien infolge der weiträumigen Verteilung von Uranstaub drastisch angestiegen sei. Auf dem Gelände eines ehemals serbischen Militärlagers finden sich Geschoßhülsen von Uran-Munition, die auf dem Boden herumliegen.

Die NATO setzte mit Beteiligung der "rot-grünen" Bundesregierung 1999 im Kosovo-Krieg rund 30 Tonnen Uran-Munition ein. Vom 24. auf den 25. April 1999 galt der NATO-Angriff einer serbischen Garnison in Novi Pasar, aber es wurden auch Wohnhäuser, Bauernhöfe und Ställe von Bauern getroffen und Tiere getötet. Novi Pasar ist eine serbische Stadt in Grenznähe zum Kosovo mit überwiegend islamischer Bevölkerung. Fikreta Ramusovic litt seit der Bombardierung an einer aggressiven Leukämie. Ein Jahr später war sie tot. Sie hinterläßt einen vierjährigen Sohn.

Im Jahre 2001 behauptete Kriegs-Minister Rudolf Scharping: "Nach aller medizinischen Erkenntnis und nach aller medizinischen Erfahrung ist insbesondere bei eingesetzten Soldaten das Strahlenrisiko vernachlässigbar." Frieder Wagner hält dem in seinem Dokumentar-Film entgegen: Auf der einen Seite wird Prof. Günther wegen eines einzigen Uran-Geschosses bestraft, auf der anderen Seite erklärt Scharping, das Risiko von Uran-Geschossen sei "vernachlässigbar", wenn sie in einem Krieg wie um das Kosovo eingesetzt werden.

Es geht schließlich auch darum, daß die NATO eine Notwendigkeit, die kontaminierten Gebiete zu säubern, von sich weist. Abgereichertes Uran hat eine Halbwertszeit von viereinhalb Milliarden Jahren.

Italienische, spanische und portugiesische Soldaten, die im Kosovo stationiert waren, erkrankten auffällig oft an Leukämie. Es war vom "Balkan-Syndrom" - analog zum "Golf-Kriegs-Syndrom" - die Rede. Allein die deutschen Truppen im Kosovo hatten angeblich keine Gesundheitsprobleme. Der mysteriöse Tod des deutschen Soldaten André Horn spricht allerdings gegen diese Behauptung. André Horn war am Morgen des 31. Januar 2000 in Prizren ins Feldlazarett gegangen. Zwölf Stunden später war er tot. Seitdem versucht sein Vater, Udo Horn, die Todesursache seines Sohnes aufzuklären. Zuerst wurde ihm mitgeteilt, sein Sohn sei an einer Hirnhautentzündung und Sepsis gestorben. Fünf Jahre lang wurde dem Vater die Einsicht in die Original-Akten verweigert. Dann kam heraus, daß der erste Befund eine Lungenentzündung mit inneren Blutungen war. Prof. Günther gewann anhand der ihm vom Vater, Udo Horn, vorgelegten Dokumente den Eindruck, daß durch das Uran - ähnlich wie in vergleichbaren Fällen wie im Irak - das Immunsystem André Horns zusammengebrochen ist, daß dann Infektionen hinzukamen und der rasche Tod infolge der daraufhin ungebremsten Infektionen kam, weil keine Resistenz mehr bestand.

Uranstaub aus den Gefechtsfeldern von Basra und Bagdad findet sich inzwischen auch an weit entfernten Orten wieder. Der Arzt Dr. Michael Kreuscher war im Jahr 2005 im nordirakischen, von KurdInnen bewohnten Erbil. Dort war 2003 ein dramatischer Anstieg von Leukämiefällen bei Kindern und Kleinkindern festgestellt worden, und zwar von einer Art, die sonst nur bei alten Menschen vorkommt. 2005 brachte Dr. Kreuscher sowohl Bodenproben, als auch Urin-Proben der erkrankten Kinder, den Staub aus dem Luftfilter seines Autos, das er dort gefahren hat und Organproben von geschlachteten Kühen aus Erbil mit nach Deutschland. An der Universität Frankfurt untersucht Dr. Gerdes diese Proben mit dem Massenspektrometer. Sämtliche Proben hatten hohe Konzentrationen von Uran-238 mit einem ungewöhnlich hohen Anteil von Uran-236. Verschiedene Proben, zum Beispiel der Staub aus dem Luftfilter des Autos, das der Arzt dort gefahren hat, waren sogar um das 3000-fache höher mit Uran-236 kontaminiert als die höchsten Werte von den Schlachtfeldern von Basra. Uran-236 stammt aus der menschengemachten Kernspaltung in Atomkraftwerken und der sogenannten Wiederaufarbeitung.

Wie konnte das sein, wenn doch dort nie ein Uran-Geschoß zum Einsatz gekommen war? Die Erklärung war relativ einfach - und Dr. Kreuscher hat sie von einem Meteorologen vor Ort bekommen: Es gibt im Irak häufig heftige Stürme, die sogar Orkanstärke erreichen können, die sogenannten "desert storms", die von Basra kommend über Bagdad hinweg nach Norden ziehen. Vor den hohen Gebirgen zur Türkei werden sie gebremst, verlieren ihre Kraft und verwirbeln in der Region um Erbil. Alles was diese Stürme mitgebracht haben, fällt dann nach und nach im weiten Umkreis von Erbil zu Boden, auch die Uranoxid-Partikelchen, die die Stürme von den ausgetrockneten, staubigen und kontaminierten Böden Basras und Bagdads mitgebracht haben. Die Distanz zwischen Basra und Erbil beträgt über 500 Kilometer.

Man kann heute mittels eines sogenannten Isotopen-Fingerprints feststellen, woher dieses Uran-238 und Uran-236 kommt. Man kann nachweisen, ob es aus dem Reaktor von Tschernobyl stammt, aus der Munition der Uran-Geschosse der US-Amerikaner und Briten im Irak oder aus einer anderen Gegend. Um die Aussage treffen zu können, ob das, was in Erbil gemessen wurde, tatsächlich von der Uran-Munition im Süden des Irak stammt, haben Dr. Kreuscher und Dr. Gerdes die vorgefundenen Isotopenprints der erkrankten Kinder in Erbil mit denen der Proben aus Basra und dazu denen der Isotopentprints aus dem Urin der Golf-Kriegsveteranen aus dem Südirak verglichen. Und siehe da: Diese Isotopenprints waren alle identisch mit den Uran-Isotopenprints im Urin der an Leukämie erkrankten Kinder in Erbil.

Viele WissenschafterInnen, die das Risiko durch Uran-Munition verharmlosen, argumentieren immer wieder damit, daß das natürlich vorkommende Uran ja noch sehr viel stärker strahlt als das, was als abgereicherter Uranstaub in der Umwelt gemessen werden kann. Der wesentliche Fakt aber für die krankmachende Wirkung des abgereicherten Urans ist der Feinststaub, der entsteht, wenn Geschosse ihr Ziel treffen und zu winzigsten Uranoxid-Staubteilchen verbrennen, die lungengängig sind, und zwar so winzig und lungengängig, daß sie bis in die Lungenbläschen aufgenommen werden und dann in den Körper gelangen, wo sie ihre krankmachende Wirkung entfalten.

Dr. Michael Kreuscher wollte beweisen, daß dieses Uran tatsächlich auch in den Körper eintritt und dort verbleibt. Er hat darum von zwei Rindern, die ausschließlich im Raum Erbil groß geworden sind, mehrere Gewebeproben mitgebracht und diese bei Dr. Axel Gerdes auf Isotope von abgereichertem Uran untersuchen lassen. Und siehe da, gerade die Primärorgane Lunge, Lymphknoten, Herz, Leber und Knochenmark waren hochgradig belastet. Somit haben diese beiden Wissenschafter erstmalig den Beweis erbracht, daß abgereichertes Uran in winzigsten Kleinstpartikeln in den Körper aufgenommen wird und dann zu todbringenden Krankheiten führen kann – und das in einer Region, in der gar keine Uran-Munition zum Einsatz gekommen war.

Immer mehr WissenschaftlerInnen schließen sich der Anfang der 1990er-Jahre von Prof. Günther entdeckten Erkenntnis an, daß die Verwendung von Uran-Munition zu einer schleichenden Katastrophe führt. Prof. Dr. Albrecht Schott sagt es in Frieder Wagners Film 'Deadly Dust' ganz klar: "Die Anwendung von Uran-Waffen ist ein Kriegsverbrechen."

Auch wenn die Abstimmung der UN-Vollversammlung im Jahr 2016 mit ihrer Mehrheit der 146 von 193 Staaten noch zu keinem Erfolg geführt hat - Der Einsatz von Uran-Geschossen steht unter anderem in Konflikt mit dem Genfer Protokoll, das die Verwendung von giftigen Stoffen im Krieg verbietet.