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Donnerstag, 17. August 2023

Geplantes Atommüll-Lager Würgassen
ESK bestreitet Hochwassergefahr
Bürgerinitiative weist ESK-Stellungnahme zurück

Atommüll-Lager als Logistikzentrum - Grafik: Samy - auf der Grundlage eines Fotos von Rainer Lippert - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Die Entsorgungs­kommission des Bundes (ESK) befürwortet in einer offiziellen Stellungnahme - entgegen vorherigen eigenen Erkenntnissen - den Standort Würgassen für ein als "Logistik­zentrum" deklariertes Atommüll-Lager. In einer Pressemitteilung kritisiert die Bürgerinitiative 'Atomfreies 3-Länder­eck' dies scharf und weist deren Darstellung zurück.

Der Plan, ein Atommüll-Lager am Standort des stillgelegten AKW Würgassen zu errichten, ist aus der Sicht der Bürgerinitiative allein schon deswegen unseriös, weil der Ort keine entsprechende Infrastruktur aufweist und in einem Überschwemmungsgebiet liegt. BI-Vorsitzender Martin Ahlborn mutmaßt, daß die vorliegende ESK-Stellungnahme nur durch den Einfluß des Bundes-"Umwelt"-Ministeriums unter der pseudo-grünen Ministerin Steffi Lemke zu erklären sei.

Die BI kritisiert in einer Pressemitteilung, die Öffentlichkeit habe von der ESK eine eigenständige und neutrale Beurteilung erwartet. Dem werde die ESK nicht gerecht. Stattdessen erfülle die ESK "die Erwartungen des Bundes, indem es seine von ihm selbst aufgestellten Sicherheitskriterien aufweicht". So sei nun beispielsweise die Hochwassersicherheit kein Kriterium mehr für einen Standort, denn laut der Darstellung der ESK könne Hochwassersicherheit durch bauliche Maßnahmen an jedem Ort herstellt werden. Demnach sei - so die Schlußfolgerung der BI - jeder Ort in Deutschland, auch der tiefste Sumpf als Atommüll-Lager geeignet. Daher habe die Hochwassersicherheit als Kriterium logischer Weise gar nicht erst aufgenommen werden müssen.

Weiter kritisiert die BI die Betrachtungen der ESK zur lokalen Infrastruktur. Nun sei plötzlich ein zweigleisiger Bahnanschluß auch kein Kriterium mehr. Die ESK argumentiere damit, daß sich die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) beim täglichen Transportvolumen verrechnet habe und die so reduzierten Lasten über ein einziges Gleis abgewickelt werden könnten. Daß bei dieser Betrachtung des Transportvolumens weitestgehend nur die Transporte von einem Atommüll-Lager Würgassen zum Zielort Schacht Konrad zählen, nicht aber die Transporte aus den "Zwischen"-Lagern nach Würgassen, führt laut BI zu einer falschen Darstellung der Gesamtsituation. Der komplette Anlieferungsprozess sowie der parallele Einlagerungsprozess nach Würgassen über drei Gleise auf dem Betriebsgelände selbst, werde von der ESK nur dahingehend kommentiert, die im Transportgutachten der RegioConsult aufgeworfenen Punkte einer Überprüfung unterziehen zu wollen. "Genau diese Überprüfung wäre aber die Aufgabe der ESK gewesen, bevor sie ihre Stellungnahme veröffentlichte", erklärt BI-Vorsitzender Martin Ahlborn. Stattdessen würden oberflächliche Auskünfte der Bahn sowie die "Gefälligkeitsgutachten" des sogenannten Öko-Instituts, welche von einem ESK-Mitglied federführend mitverfasst worden seien, als plausibel und nachvollziehbar dargestellt.

Ein weiterer "schwerwiegender Fehler" in den Betrachtungen der ESK-Stellungnahme ergebe sich laut BI aus dem veröffentlichten Jahresabschluß 2021 der Kerntechnischen Entsorgung Karlsruhe (KTE). Ahlborn zitiert: "Ein früheres Betriebsende des Endlagers Konrad als 2067 ist für die KTE nicht praktikabel, weil Abfälle aus dem Rückbau der Entsorgungsbetriebe noch bis Mitte der 2060er Jahre anfallen werden". Damit entfällt nach Ansicht von Ahlborn eine wesentliche Begründung zur Notwendigkeit dieses sogenannten Logistikzentrums. "Denn gerade durch die Verkürzung der Einlagerungszeit von 40 Jahren um circa 10 Jahre sollte laut BGZ ein Sicherheitsgewinn für uns alle entstehen. Was bringt die Möglichkeit einer verkürzten Einlagerungszeit von 2067 auf 2057 in Konrad, wenn der Rückbau der Anlagen aber bis 2067 dauert?", fragt Ahlborn.

Warum die ESK-Mitglieder trotz alledem bereit gewesen seien, eine derartige Stellungnahme zu verfassen, lasse sich nur erahnen. Hauptberuflich seien einige dieser Mitglieder auch geschäftsführend bei bundeseigenen Gesellschaften tätig, welche unter anderem die Konditionierung der atomaren Abfälle für das Lager Konrad übernehmen. Die BI wirft die Frage auf, ob etwa derartige Beschäftigungsverhältnisse einer unabhängigen Beurteilung entgegenstehen. Erschwerend komme hinzu, daß diese ESK-Mitglieder bei der Finanzierung Ihrer Unternehmen fast ausnahmslos auf Zuwendungen von Bund und Land angewiesen sind - so die BI.

Martin Ahlborn verweist auf einen Passus, der sich in den Jahresabschlüssen 2020/21 dieser bundeseigenen Entsorgungs­gesellschaften fast wortgleich finden ließe: "Die Bundesregierung hat außerdem beschlossen, durch die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH am Standort des stillgelegten KKW Würgassen das Logistikzentrum (...) zu errichten." Aufgrund dieser Ausgangs­situation sei das Ergebnis der aktuellen Stellungnahme der ESK keine Überraschung und nur die Bestätigung einer seit langem vorgegebenen Entscheidung.

Auf ein weiteres brisantes Detail weist Ahlborn hin: "Daß ausgerechnet diejenige Liegenschaft als Standort ausgewählt wurde, die nicht im Eigentum des Bundes ist, sondern von einem Energie­versorgungskonzern erworben werden muss, schürt die Skepsis in der Öffentlichkeit. Insbesondere dann, wenn laut kleiner Anfrage im Bundestag die Kaufsumme aus Geheimhaltungsgründen nicht veröffentlicht wird." Letztlich tue sich der Bund mit derartigem Vorgehen keinen Gefallen, unterwandere das demokratische Grundverständnis der Öffentlichkeit und müsse sich am Ende nicht über Politikverdrossenheit in der Gesellschaft wundern.