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Dienstag, 1. August 2023

Atomenergie in den USA
Stetiger Rückgang und ein Neustart

AKW Vogtle, Waynesboro - Foto: Charles C Watson Jr - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
In den USA waren zu den stärksten Zeiten der Atomenergie 111 Atom-Reaktoren in 55 kommerziellen Atomkraftwerken in Betrieb. Nach der Reaktor-Katastrophe im AKW Harrisburg ("Three Mile Island") im Jahr 1979 wurden bis in die 2000er-Jahre keine neuen AKW-Bau-Projekte mehr in Angriff genommen. Der letzte Neubau in den USA war 1978 genehmigt worden. Seitdem ist ein stetiger Rückgang der Zahl der US-amerikanischen Atom-Reaktoren zu verzeichnen. Mit der Stilllegung des AKW Palisades im Mai 2022 sank diese Zahl auf 92. Der Anteil der Atomenergie an der US-amerikanischen Stromversorgung erreichte vor etlichen Jahren in der Spitze 21 Prozent und sank auf mittlerweile knapp zehn Prozent. Am Standort des AKW Vogtle / Waynesboro im Bundesstaat Georgia ging nun erstmals nach drei Jahrzehnten ein neuer Atom-Reaktor in Betrieb. Die US-amerikanische Anti-Atom-Bewegung ist vergleichsweise schwach.

Der Reaktor-Neubau Vogtle 3 ging nun 15 Jahre nach dem Bau-Antrag trotz eklatanter ökonomischer Unrentabilität in Betrieb. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert haben die US-Präsidenten George W. Bush, Barack Obama (2010: 54 Milliarden US-Dollar), Donald Trump und Joseph Biden - einer wie der andere! - gigantische Subventionen in die "zivile" Atomenergie versenkt.

Der Betreiber 'Southern Nuclear Operating Company' hatte am 31. März 2008 den Bau-Antrag für zwei Druckwasser-Reaktoren vom Typ AP1000 eingereicht. Der jetzige Betreiber, Georgia Power, kündigte an, Reaktor 4 in vier bis fünf Monaten in Betrieb zu nehmen.

Aufgrund von Schwierigkeiten bei den AKW-Neubau-Projekten Vogtle und Virgil C. Summer ging im Jahr 2017 das traditionsreiche Unternehmen Westinghouse in Insolvenz. Im August 2017 wurde bekannt, daß der Betreiber, Dominion Energy, das AKW-Neubau-Projekt Virgil C. Summer, das einzige andere Neubau-Projekt in den USA, aus Kostengründen aufgegeben hat.

Die Bau-Kosten für die beiden neuen Reaktor-Blöcke des AKW Vogtle / Waynesboro liegen laut offiziellen Angaben mit Stand Juni 2023 bei rund 35 Milliarden US-Dollar - mehr als doppelt so hoch wie noch vor 10 Jahren veranschlagt. Infolge der Bau-Verzögerung um sechs Jahre sowie der enormen Kostensteigerungen während des Baus gehen US-BranchenanalystInnen von Stromgestehungskosten des Kraftwerks in Höhe von 168 US-Dollar/MWh (entsprechend 16,8 Cent/kWh) aus, was etwa viermal so hoch ist wie bei Wind- und Solarenergie, selbst wenn deren schwankende Erzeugung mit berücksichtigt wird. Es handelt sich also schlichtweg um ökonomischen Wahnsinn. Damit stellt sich die Frage: Aus welchen Gründen wird die Atomenergie in den USA weiterhin forciert?

Der CEO von Georgia Power, Kim Greene, pries den neuen Reaktor trotz Verspätung und verzehnfachter Kosten als "beeindruckendes Beispiel" für Georgias zuverlässige und widerstandsfähige Energiezukunft. Wenn Block 4 in Betrieb gegangen sein wird, sei das AKW Vogtle der größte Standort seiner Art in den USA.


Kommentar

Seit einigen Jahren wird von der Kernkraft-Kirche die angebliche Klimagas-Neutralität der Atomenergie als Argument für eine "Renaissance" bemüht. Dies ist wenig glaubhaft, da derselbe Personenkreis über Jahrzehnte hin weitgehend mit jenem deckungsgleich war, der den menschengemachten Treibhaus-Effekt in Abrede stellte und hierfür Propaganda mit einem Aufwand von etlichen Milliarden an US-Dollar verbreitete. Auch nach dem Klimagipfel von Paris im Jahr 2015, COP21, auf dem angeblich ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag über nationale Verpflichtungen zur Drosselung der Klimagas-Emissionen beschlossen wurde, stiegen diese Emissionen weltweit weiter an. US-Präsident Barack Obama hatte im Vorfeld dieses Klimagipfels durchgesetzt, daß kein völkerrechtlich verbindliches Reduktions-Ziel im Abschluß-Dokument des Klima-Gipfels zu Paris vereinbart werden konnte. Die Propaganda hat sich seit vielen Jahren weitestgehend in ihr Gegenteil verkehrt und es wird vor der Klimakatastrophe gewarnt - doch weder in den USA noch in China handelt die Politik entsprechend, um das weitere Abgleiten in die Klimakatastrophe zu stoppen.

Auch in den USA und in Deutschland ist seitdem im Mittel kein Rückgang der Klimagas-Emissionen zu verzeichnen. Welches Interesse sollte ein profitorientiertes Wirtschaftssystem und die davon abhängige Politik auch daran haben? Die Klimakatastrophe ist in diesem System nicht eingepreist. Auch Staaten wie China sind offensichtlich kapitalistisch.

Welches Interesse besteht also an der Atomenergie? Bei einem weiteren Ausbau der dezentralen erneuerbaren Energien bricht den großen Energie-Konzernen die Geschäftsgrundlage weg. Der Energie-Sektor ist in der Wirtschaft jeden Staates einer der mächtigsten. Wer sich allein die wirtschaftliche Verflechtung der Atom-Branche bis in viele mittelständische Unternehmen anschaut, erkennt, welchen Einfluß diese Branche in jedem bedeutenden Staat auf die nationale Wirtschaft und damit auch auf die Politik besitzt. Es geht um die Verhinderung der Energie-Wende.